Ich bin Literarische Scout mit Markt-Focus Deutschland und Spanien. Mein (Traum)-Job ist es, die neuesten literarischen Trends und die besten Titel und Autoren für meine Kunden zu finden.
Mit einem exklusiven Berater-Vertrag bediene ich neun Verlage/Gruppen in Deuschland, Spanien, Italien, Frankreich, Holland, Polen, Norwegen, Finnland und China/Taiwan. Für sie finde ich Belletristik-/Unterhaltungs- und Sachbuchtitel und Autoren, die am besten zu ihrem Programm und ihrem Markt passen und kommerziell/literarisch erfolgreich sind.
Im Arbeitsalltag spreche oder schreibe ich täglich mit Verlagen, Lektoren und literarischen Agenten in Deutschland und Spanien. Wir tauschen uns aus, ich gehe ihren Empfehlungen nach und lese so viel/schnell wie möglich, um dann die besten Titel an meine Verlage zu empfehlen und bei der Verhandlung und allem weiteren zu unterstützen. Das braucht gegenseitiges Vertrauen & Sympathie, eine gute Spürnase und Verleger-Instinkt…
Bei der Entstehung eines Buchs ist mein Job ziemlich am Anfang angesiedelt. Wir kommen dann ins Spiel, wenn ein Autor im Ausland angeboten wird. Zunächst gibt der Autor, z. B. ein Spanier, sein Manuskript an den spanischen Agenten. Dieser Agent schickt es an Lektoren/Verlage in Spanien. Sobald es dort einen Heimatverlag für den Autor gibt, geht das Manuskript an die Scouts, dann an Subagenten, die es wiederum an internationale Verlage für Lizenz-Deals senden. Ich lese schon das Manuskript, bevor es auf dem heimischen Markt publiziert ist, entweder parallel mit den heimischen Lektoren oder sobald der Autor im Ausland angeboten wird. Ist das Buch gedruckt, ist es fast zu spät… Wir Scouts sehen immer nach vorne!
Als Qualifikationen für diesen Job braucht man unbedingt Begeisterungsfaehigkeit, Intelligenz, Intuition, Empathie, Diplomatie und Sympathie. Coaching/Support, Viel-und-schell-lesen-Können sind wichtig. (Internationale) Verlags- und Markterfahrung, um zu wissen, was funktioniert (nicht) – und warum. People skills. Gute/solide Netzwerke.
Meine Ausbildung: B.A. University College London, M.Phil. Cambridge (King’s College). Sieben Jahre Anne Louise Fisher Associates (Scouting, London) und sechs Jahre Lektorin bei Bertelsmann (Barcelona).
Meine Arbeit habe ich begonnen, weil ich wieder international tätig sein wollte, und eine größere Perspektive/Wachstum brauchte. 2013 habe ich mich selbstständig gemacht und Anne Vial Literary Scouting gegründet. Und ich habe es nie bereut, es ging alles glatt! Mein typischer Arbeitstag beginnt mit Aufstehen, Yoga, Kaffee. Dann folgen E-Mails (den ganzen Tag), Telefonate, Besuche bei Verlagen und Agenturen (Lunch meetings). Ich lese Vorschauen/Presse, schreibe Gutachten und wöchentliche Reports an meine Kunden, gebe Feedback, plane und fahre zu Buchmessen- & Kundenbesuchen im Ausland und lese, lese, lese … Am Wochenende lasse ich den Computer aus, das brauche ich, um den Kopf freizukriegen.
Die jeweilige Arbeitszeit für ein Buch liegt zwischen zwei Stunden und zwei Jahren!! Ich höre z. B. von einem Buch auf einer Messe, ich klemme mich dahinter und “jage es,” bis ich das Manuskript habe, dann lese ich es. Ein “schlechtes” Manuskript kann ich schnell abhaken. Bei einem guten schreibe ich Gutachten, berate meine Verlage und unterstütze sie als Vermittlerin bei Angebot/Auktion/Verhandlung. Das ist oft ziemlich nervenaufreibend. Sobald das Buch bei meinem Kunden unter Vertrag ist, mache ich begleitende Arbeit (z. B. Verkaufszahlen und Cover, Presse weiterleiten etc).
Vom Literary Scouting kann ich gut leben, meine Overhead-Kosten sind gering und ich habe keine Angestellten. Die großen Kostenpunkte sind Buchmessen/Reisen. Je mehr Kunden man hat, desto sicherer ist das Einkommen, da bin ich sehr dankbar … An meiner Arbeit macht mir besonders viel Spaß, tolle Bücher zu lesen und mit gleichgesinnten Menschen darüber zu sprechen. Der Austauch. Das Menschliche! Die Begeisterung über gute Bücher und coole Trends.
Manchmal stört mich an meiner Arbeit so was wie Papierkram, Computerprobleme, Extrem-Stress in den arbeitsintensiven zwei Wochen vor den Buchmessen. Oder auch, wenn Agenten/Verlage nicht verstehen wie wir arbeiten und uns die Arbeit erschweren, weil sie nicht mitdenken.
Das Seltsamste, was mir bei meiner Arbeit je passiert ist? Ein Literarischer Agent in London wollte mich einst von der Polizei verhaften lassen, weil wir von einem Kinderbuchangebot (das uns streng vertraulich von einem Lektor zugeschickt worden war) Fotokopien gemacht hatten! Ich hatte einen cholerischen Agenten am Telefon, die Polizei kam dann aber doch nie … Stichwort Digitalisierung: An meinem Job wird sich auch in zehn Jahren vermutlich nicht viel verändern, denn gelesen wird immer, egal in welchem Format … Wir passen uns natürlich an!