Dr. Ulrike Schimming,Hamburg, ist Uebersetzerin, Lektorin und freie Dokumentationsjournalistin,
© Kirsten Haarmann

Dr. Ulrike Schimming | Übersetzerin

Dr. Ulrike Schimming übersetzt aus dem Italienischen und Englischen.

Sie hat italienische Literatur, Germanistik und Philosophie in Hamburg, Florenz und Stuttgart studiert und über italienische Fotoromane promoviert.

In ihrem eigenen elektronischen Magazin LETTERATUREN rezensiert sie Kinder- und Jugendbücher.

2017 hat sie ihren ersten eigenen Roman „Glaube Liebe Stigmata“ herausgebracht.

Was lesen wir, wenn wir sogenannte Weltliteratur lesen? Also wenn wir beispielsweise zu Romanen von Margaret Atwood, Elena Ferrante oder J. K. Rowling greifen: Wir lesen deutsche Texte, selbst wenn diese Autorinnen in Kanada, Italien und England leben. An dieser Stelle kommen in der Buchproduktion Menschen wie ich ins Spiel: die Literaturübersetzer_innen.

Hat ein Verlag die Lizenz eines fremdsprachigen Titels erstanden, beauftragt er eine_n Übersetzer_in mit der Übertragung des Textes ins Deutsche. In meinem Fall sind das zumeist Kinder- und Jugendbücher aus dem Italienischen oder Englischen. Es können aber auch populäre Jugendsachbücher, Reisegeschichten, Comics oder Graphic Novels sein. Oft bekomme ich ein PDF mit dem italienischen oder englischen Text zugeschickt, im besten Fall das originale Buch. Dann habe ich je nach Umfang ein paar Wochen oder Monate Zeit, eine deutsche Fassung zu erstellen.

Ich bin eine ziemlich disziplinierte Arbeiterin, sitze morgens um neun Uhr am Schreibtisch und übersetze dann – mit Pausen – bis abends. Je nachdem, wie schwierig ein Text ist, wie stilistisch anspruchsvoll oder wie rechercheintensiv ein Sachtext ist, brauche ich mal länger, mal kürzer. Daher kann ich nicht generell sagen, wie viele Seiten ich pro Tag schaffe. Habe ich einen Text komplett übersetzt, ist das zunächst einmal eine Rohfassung, bei der noch sehr viel krumm und schief sein kann. Es folgen dann zwei bis drei Korrekturdurchgänge, bei denen ich den deutschen Text immer wieder auf seine Stimmigkeit, seinen Klang und seine Verständlichkeit verändere und Fehler ausmerze. Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, ihn mir dann laut vorzulesen. So höre ich noch viel besser, wo es hakt.

Das Übersetzen an sich ist eine einsame Angelegenheit. Ablenkung durch Kollegen in einem Gemeinschaftsbüro beispielsweise kann ich nicht gut vertragen. Den Austausch mit anderen Übersetzer_innen schätze ich natürlich, aber eher nach der Arbeit oder an Wochenenden auf Seminaren und Veranstaltungen. Für das Übersetzen von Literatur sollte man die Ausgangsprache eines Textes perfekt beherrschen, doch viel wichtiger ist eigentlich, ein gutes Gespür für die deutsche Sprache zu haben: Wie drücken wir bestimmte Dinge und Zusammenhänge aus? Wie lauten die entsprechenden Redewendungen auf Deutsch? Ziel ist dabei immer, einen Text zu schaffen, der wie ein originaler deutscher Text klingt und dem man nicht anmerkt, dass er aus einer fremden Sprache stammt. Letzteres ist durch die fremden Namen, Orte und Lebensumstände der Figuren natürlich nicht zu verhindern. Aber der/die Leser_in sollte nicht noch zusätzlich durch unbeholfene Wendungen, die vielleicht zu dicht am Original kleben, stolpern, sondern die gleiche Spannung oder Kurzweil verspüren, wie die Leser im Herkunftsland des Buches.

Ich bin durch eine Freundin aus der Verlagsbranche zum Übersetzen gekommen, während ich noch an meiner Dissertation geschrieben habe. Seitdem habe ich immer wieder übersetzt und mich weitergebildet, kann aber vom Übersetzen allein nicht leben. Daher lektoriere ich zudem Übersetzungen von Kollegen und arbeite als Fact-Checkerin bei einer Zeitschrift. Doch das Übersetzen ist und bleibt so etwas wie eine Leidenschaft. Denn es macht mir Spaß, die passenden deutschen Entsprechungen für fremde Geschichten zu finden, die hier sonst kaum einer lesen könnte. Manchmal gibt es während des Übersetzens einen inspirierenden Austausch mit den Autor_innen. So habe ich mich mal mit einer italienischen Autorin in Neapel getroffen, wo sie mir ihre Lieblingsecken der Stadt gezeigt hat.

Momentan wird im Rahmen der Digitalisierung viel über die Übersetzungsprogramme im Netz diskutiert und spekuliert. Doch diese Programme können im Augenblick gerade einmal einfache technische – zumeist englische – Texte übertragen, tiefgründige literarische Texte voller Bilder, Metaphern und Anspielungen schaffen sie nicht. Noch nicht. Ich hoffe, dass das in zehn Jahren auch noch so ist – damit ich dann noch weiter Literatur übersetzen kann.

PS: Die Übersetzerinnen von Margaret Atwood heißen Helga Pfetsch, Brigitte Heinrich, Charlotte Frank, Monika Schmalz, Barbara Lüdermann, Werner Waldhoff. Elena Ferrante wurde von Karin Krieger aus dem Italienischen übersetzt. Die deutsche Fassung von Harry Potter stammt von Klaus Fritz.

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